Erinnerung an Pogromnacht: Warnung vor schleichender Normalisierung des Unmenschlichen
Mehr als 130 Bürgerinnen und Bürger versammelten sich am Sonntag in der Stadtkirche St. Bartholomäi, um der jüdischen Opfer der Pogromnacht von 1938 zu gedenken. Sie folgten damit einem gemeinsamen Aufruf der Stadt, des Landkreises Altenburger Land und des Ökumenischen Arbeitskreises.
In seiner Andacht ging Pfarrer Andreas Gießler auf die bekannte biblische Überlieferung ein die schildert, wie der in Bedrängnis geratene Jünger Petrus Jesus verleugnete. Wie standhaft können wir in Bedrängnis bleiben? Pfarrer Gießler rief dazu auf, Ausgegrenzten beizustehen und die Stimme immer wieder gegen Diskriminierung zu erheben.
Oberbürgermeister André Neumann erinnerte an die schrecklichen, von den Nazis initiierten Ausschreitungen in Altenburg, bei denen der Betsaal in der Pauritzer Straße verwüstet, Wohnungen und Geschäfte geplündert und 21 jüdische Männer verhaftet wurden. Das Stadtoberhaupt erinnerte zudem an das Ende der NS-Terrorherrschaft vor 80 Jahren. Für viele Verfolgte kam die Befreiung zu spät und viele Täter konnten nach 1945 ungestraft oder milde verurteilt weiterleben. So brachte es der ehemalige Altenburger Oberbürgermeister Dr. Otto Grimm, der nachweislich in die Judenverfolgung verstrickt gewesen war, sogar zum Ehrenring-Träger der Stadt Leverkusen.
Nach den Worten des Oberbürgermeisters zeige der lange Zeitraum vom „Fanal“ der Pogromnacht bis zur Befreiung wie schwer es sei, Diktaturen zu überwinden. Mit Blick auf heutige Entwicklungen warnte er vor „schleichender Normalisierung des Unmenschlichen“. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel habe der Antisemitismus in Deutschland stark zugenommen und äußere sich zum Teil ganz offen auf deutschen Straßen. Dem gelte es, entschieden entgegenzutreten. „Bei Hass, Diskriminierung und Rassismus darf es keine Neutralität geben“, so das Stadtoberhaupt. „Antisemitismus ist kein Randproblem, er ist ein Gradmesser für den Zustand unserer Gesellschaft“.
Für Landrat Uwe Melzer markiert die Pogromnacht den Übergang von der Diskriminierung zur systematischen Verfolgung der Juden. Er mahnte, die Erinnerung daran wachzuhalten, denn das Thema sei leider aktueller denn je. Auch der Landrat konstatierte, dass der Überfall der Hamas auf Israel wie ein „Brandbeschleuniger“ gewirkt habe und forderte, gegen Antisemitismus Haltung zu zeigen.
Auf dem Weg zur Kranzniederlegung an der Gedenktafel in der Pauritzer Straße trugen Schauspieldirektor Manuel Kressin und Dramaturg Felix Mohr vom Theater Altenburg Gera historische Quellen zur Pogromnacht im Altenburger Land vor. Zudem wurden an der Gedenktafel historische Zeugnisse zur Pogromnacht im Altenburger Land gezeigt, die – wie auch die von den Künstlern vorgetragenen – der Heimatforscher Christian Repkewitz zusammengestellt hatte. Für die musikalische Umrahmung der Gedenkveranstaltung sorgten die Cellistin Anna Dorsch und Kantor Johann Friedrich Röpke an der Orgel.